Kanzleiphilosophie

Erfolgreich einen Rechtsstreit zu führen ist kein Hexenwerk, sondern ist davon abhängig, dass man eine klare Strategie hat und diese auch konsequent verfolgt. Ganz wichtig ist besonders im Vorfeld, dass Anwalt und Mandant völlig offen und ehrlich miteinander sprechen - das sollte eigentlich selbstverständlich sein, hat jedoch schon mehr als einmal zu überraschenden und vor allem unangenehmen Wendungen in Gerichtsverfahren geführt. Optimale Prozessvorbereitung und Prozessführung in fünf Schritten:

Schritt 1: Sachverhalt ermitteln!
Zunächst müssen alle prozessrelevanten Fakten und Dokumente zusammengetragen werden. Welche Schriftstücke existieren? Welche Zeugen sind vorhanden und was können sie aus eigener Wahrnehmung über den Sachverhalt sagen? Es müssen in dieser Phase unbedingt auch die ungünstigen Beweismittel zusammengetragen werden: gegnerische Zeugen, nachteilige Mails, Schreiben etc. Viele Gerichtsverfahren werden verloren, weil bereits Schritt 1 nicht sorgfältig genug durchgeführt wurde.

Schritt 2: Rechtslage prüfen!
Auf Grundlage der beweisbaren Sachverhaltsumstände muss die Rechtslage umfassend geprüft werden. Entscheidend ist zum einen die Gesetzlage und (noch wichtiger) wie hat der Bundesgerichtshof in ähnlichen Fällen entschieden? Nur, wenn eine Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in vergleichbaren Fällen existiert, lässt sich eine Voraussage von deutlich über 50% zu den Erfolgsaussichten treffen (kein seriöser Rechtsanwalt kann eine 100% Voraussage über den Ausgang eines Verfahrens machen). In dieser Phase müssen auch mögliche rein prozesstaktische Mittel geprüft werden, z.B. ob ein Eilverfahren durchgeführt werden sollte, vor welchem Gericht geklagt wird, ob zuvor rechtliche Handlungen durchgeführt werden müssen, wie z.B. Kündigung, Aufrechnung, Verjährungseinrede, Rücktritt o. ä.

Schritt 3: Strategie entwickeln!
Unter Berücksichtigung der in Schritt 1 zusammengetragenen Beweislage und der unter Schritt 2 geprüften Rechtslage wird nun eine maßgeschneiderte Strategie erarbeitet, die auch den besonderen Umständen der beteiligten Personen (ob "juristische" oder "natürliche Personen") und insbesondere deren Zielen Rechnung trägt. Es kann eine Fülle von subjektiven Aspekten eine Rolle spielen. Eine große Versicherung will z.B. möglicherweise einen Präzedenzfall vermeiden und ist daher kompromissbereiter, gleiches kann für einen Vermieter oder Arbeitgeber gelten.

Schritt 4: Außergerichtliches Verfahren
Normalerweise wird nun zunächst das außergerichtliche Verfahren durch ein Anwaltsschreiben an die Gegenseite eingeleitet. Dieses Schreiben sollte bereits eine klare Forderung und eine konkrete Fristsetzung enthalten. Eine gängige Frist beträgt 14 Tage. Bereits in dem ersten Schreiben sollte der Gegner darauf hingewiesen werden, dass nach Fristablauf geklagt wird. Soweit Schritt 2 und Schritt 3 sorgfältig durchgeführt wurden, gibt es selten einen Grund das außergerichtliche Verfahren über einen längeren Zeitraum zu führen; es sollten maximal drei Schreiben an die Gegenseite verschickt werden. Wenn nach drei gewechselten Schreiben keine konkrete Lösung des Konflikts gefunden wurde, ist das gerichtliche Verfahren unumgänglich. Häufig genügt jedoch bereits ein Schreiben; an der Antwort lässt sich erkennen, ob eine außergerichtliche Einigung möglich ist oder nicht.

Schritt 5: Gerichtsverfahren
Falls in Schritt 4 keine Einigung erzielt werden konnte, wird das Gerichtsverfahren eingeleitet. Damit dieses konsequent und erfolgsversprechend durchgeführt werden kann, ist es wichtig, dass in Schritt 4 auch nur realistische Forderungen an die Gegenseite gestellt wurden. Spätestens im Gerichtsverfahren haben auch nur realistische Forderungen Erfolgsaussichten. Im Gerichtsverfahren zeigt sich nun, ob die ersten vier Schritte sorgfältig und zielführend gemacht wurden. Ist dies geschehen, so sind die Aussichten auf einen erfolgreichen Prozess gut.